La Esmeralda
Es ist Samstagvormittag. Unter strahlend blauem Himmel versammeln sich das Produktionsteam, die Schauspieler, Musiker und die Statisten auf dem Münsterplatz. Denn seit einigen Tagen haben die Proben auf der Originalbühne begonnen. „Musikalisch für alle Beteiligten“ steht auf dem Tagesplan. Mit einem Mikrofon in der Hand gibt die Choreografin Ana Mondini Anweisungen, bis schließlich alle Beteiligten ihren Platz für die erste Szene gefunden haben. Die Schauspieler tragen bereits ihre Probenkostüme, die Statisten sind mit Requisiten ausgerüstet: Die Gaukler mit ihren Jonglagebällen, eine Statistin mit einem Obstkorb, eine andere mit einer Krücke. Begleitet von den Musikern beginnt ein buntes Treiben auf dem Münsterplatz, das so manchen neugierigen Zuschauer von außerhalb anzieht, die versuchen durch die Zäune einen Blick auf die Proben zu erhaschen.
Eine Szene wirkt besonders schön. Es ist der Moment, als die Zigeunerin La Esmeralda zusammen mit ihrer Ziege Djalí auf den Platz tritt und zu tanzen beginnt. „Die ist doch auch Zigeunerin. Wieso ist die hier?“ ruft einer der Bürger auf dem Platz. „Wer hat das erlaubt?“ ruft ein Anderer. In der Tat werden Zigeuner, sobald sie versuchen die Stadt zu betreten, wieder hinaus gejagt. „Aber tanzen kann sie! Und wie!“ kommentiert ein weiterer Bürger. Nach und nach lassen sich die Bürger von dem Tanz und Gesang der Esmeralda mitreißen. Sie scharen sich um sie und fangen schließlich an zu klatschen, mitzusingen und schließlich im Kreis zu tanzen.
v.l.n.r.: Gabriel Cazes, Ana Mondini, Max Hemmersdorfer, Jessica Rust
Es ist, als hätte Esmeralda die Menschen um sich herum mit ihrem Tanz verzaubert. „Das Besondere an Esmeralda ist die Selbstverständlichkeit, das Selbstbewusstsein mit der sie einfach anfängt zu tanzen und damit alle in ihren Bann zieht“, erzählt die Schauspielerin Jessica Rust, mit der wir über ihre Rolle sprachen. Aufgewachsen ist die 17-jährige La Esmeralda bei Zigeunern, mit denen sie in ihrem Leben bereits sehr viel herumgereist ist. Es ist ihre Lebensfreude und Ehrlichkeit, mit der sie so vielen Männern den Kopf verdreht. Denn für die normalen Pariser Bürger ist es ungewöhnlich, dass jemand mit solch einer Energie auftritt wie Esmeralda.
Als sie Quasimodo zum ersten Mal sieht, hat sie, aufgrund seines Aussehens, vor ihm Angst. Doch schnell bekommt sie Mitleid mit ihm. Erst später erkennt sie, dass Quasimodo gütig, liebevoll und schüchtern ist und es verbindet die beiden eine Liebe, die nichts mit körperlicher Liebe zu tun hat, aber mit Wertschätzung und enger Freundschaft. Auch dem Dichter Gringoire gegenüber kommt ihr Sinn für Gerechtigkeit und ihr Mitleid zum Ausdruck. Als dieser gehängt werden soll, rettet sie ihm das Leben, indem sie ihn heiratet. Bestimmt macht sie ihm jedoch klar, dass er niemals mehr von ihr erwarten kann als Freundschaft. Denn Esmeralda hat sich bereits Hals über Kopf in den gut aussehenden Phoebus verliebt. Ihr Glaube an das Gute im Menschen macht sie seinem wahren Wesen gegenüber blind, was zu ihrem Verhängnis führt, denn Phoebus will Esmeralda nur ins Bett kriegen. Frollo, der in Esmeralda verliebt ist, rettet sie vor Phoebus, indem er diesen tötet. Als die Wachen am Tatort eintreffen, sieht es so aus, als hätte Esmeralda Phoebus ermordet. Diese gesteht die Tat, die sie nie begangen hat schließlich unter Folter. Esmeraldas ständige Begleitung ist eine weiße Ziege mit goldenen Hufen und Hörnern, die auf den Namen Djalí hört. Djalí ist eine ganz besondere Ziege, denn sie kann zählen und Menschen imitieren. Außerdem trägt sie ein Säckchen mit Buchstaben um den Hals. Mit diesen Buchstaben kann Djalí Wörter buchstabieren. Djalí und Esmeralda haben eine sehr enge besondere Beziehung zu einander. „Die beiden sind ein unzertrennliches Team“, so Jessica Rust. All dies führt dazu, dass Esmeralda der Hexerei, des Mordes und der Unzucht beschuldigt und schließlich gehängt wird.
v.l.n.r.: Jessica Rust, Anna Mondini
Nach ihrem Tod wird noch ein weiteres Geheimnis um Esmeralda enthüllt. Diese hatte ein Säckchen um den Hals hängen, deren Inhalt sie eines Tages zu ihrer Mutter, die ihr unbekannt ist, führen sollte. Als der Henker das Säckchen öffnet und ein Kinderschuh zum Vorschein kommt, erkennt die Büßernonne Gudule, die Esmeralda immer verflucht hatte, dass diese ihre verlorene Tochter Agnès war. Verhängnisvollerweise kommt diese Einsicht zu spät.